Fachtag „Klassismus – Gleiche Chancen für alle?“
BITTE KOMMT GETESTET!
Aufgrund der aktuellen Infektionsgeschehen bzgl. Covid 19 bitten wir die Teilnehmenden des Fachtags eigenverantwortlich Risiken zu minimieren: bitte macht bei Möglichheit morgens zu Hause einen Corona-Selbsttest. Und falls ihr Corona-, Erkältungs- oder Grippesymptome habt: bleibt Zuhause. So wird unsere Tagung zu einem sichereren Ort für uns alle.
von 9:30 bis 16:30 Uhr im Haus der Jugend Freiburg
„Wie heißt das nochmal, Klassizis…?“ Seit einiger Zeit geistert ein Begriff durch die Medien. Nein es ist nicht der Baustil aus dem 19. Jahrhundert gemeint, sondern eine Form der Diskriminierung, die sich auf die soziale Herkunft bezieht. Als Klassismus bezeichnet man eine abwertende Haltung gegenüber Menschen aus ärmeren Gesellschaftsschichten. In Zeiten wachsender sozialer Ungleichheit, verschärft durch Pandemie und Inflation, spüren immer mehr Menschen am eigenen Leib, was es bedeutet, aufgrund fehlender Ressourcen nicht dazuzugehören, nicht teilhaben zu können, sich ausgegrenzt zu fühlen. Die Politische Bildung hat sich des Themas schon seit längerem angenommen, denn es zieht sich durch fast alle Lebensbereiche, doch ist häufig auch unsichtbar. Deshalb heißt es: Sensibilisieren. Doch ist damit schon genug getan, ein größeres Bewusstsein für eine Diskriminierungsform zu schaffen? Geht es nicht auch darum, ihre Ursachen, also die soziale Ungleichheit, zu bekämpfen? Und wie sind wir selbst durch unsere Herkunft darin verstrickt? Wie können wir Betroffene unterstützen? Diesen Fragen wollen wir auf unserem Fachtag nachgehen. In den Fokus nehmen wir dabei insbesondere die Themen Herkunft, Bildung und das Sozialsystem. Dafür haben wir mehrere Referent*innen eingeladen, die in Vorträgen und Workshops über die verschiedenen Aspekte des Klassismus aufklären und gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Analysen und Handlungsoptionen entwickeln und zur Reflektion anregen.
ANMELDUNG
https://eveeno.com/fachtagklassismus
Bei Fragen: Email an koordination@iz3w.org
PROGRAMM
Die Workshops und Vorträge sind in zwei Module aufgeteilt. Im Modul 1 vormittags geht es um Grundlagen. Im Modul 2 nachmittags werden wir uns je einem Thema vertiefend widmen. Nach der Begrüßung und dem Einführungsvortrag geht es in die erste Workshop-Runde, das erste Modul. Nach der Mittagspause geht es in die zweite Runde. Am Ende Treffen wir uns noch einmal zum gemeinsamen Austausch.
PROGRAMMÜBERSICHT
10:15 Uhr |
Einführungsvortrag Nach ‚unten‘ treten, nach oben streben…!? Wie Klassismus soziale Spaltung produziert (Sarah Schnitzler)
|
11-13 Uhr A1, B1, C1 |
Workshop A1 Rassismus als Ausgangspunkt von Klassismus. Einführung in einen materialistischen Rassismusbegriff (Tú Qùynh Nhu Nguyễn)
|
Workshop B1 Ungleichheit im Bildungssystem – Grundlagen (Tariq Mian)
|
|
Workshop C1 Existenzsichernde Leistungen in Deutschland als Ausdruck einer widersprüchlichen Haltung der Gesellschaft zu Armut (Roland Rosenow) |
|
14-16 Uhr A2, B2, C2 |
Workshop A2 Meine (sozioökonomische) Herkunft – eine rassismus- und klassismuskritische Auseinandersetzung (Tú Qùynh Nhu Nguyễn)
|
Workshop B2 Ungleichheit im Bildungssystem – Beispiele aus der Praxis und Gegenmaßnahmen (Tariq Mian)
|
|
Workshop C2 „Keine*r geht allein aufs Amt.“ Möglichkeiten der Unterstützung von Grundsicherungsberechtigten (Werner Altmann) |
ZIELGRUPPE
Der Fachtag richtet sich an Menschen aus der Bildung, der Sozialen Arbeit, Pädagog*innen, Medienschaffende, zivilgesellschaftlich Engagierte, Aktivist*innen und Menschen aus Politik und Verwaltung.
ORT
Haus der Jugend, Uhlandstr. 2, 79102 Freiburg
Die Vorträge und Workshops finden im Kleinen Saal im EG und in zwei der Gruppenräume statt. Im Gang vor dem Kleinen Saal gibt es Infotische, den Büchertisch der Jos Fritz Buchandlung und ein Snackbuffet. Im Foyer des HDJ ist Platz für weitere Infotische.
ACCESSIBILITY
Das HDJ ist barrierearm. Solltest Du Unterstützung oder mehr Infos zur Situation vor Ort brauchen, melde Dich bitte bei koordination@iz3w.org
ANFAHRT
Das HDJ ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.
Tram: Haltestelle Schwabentorbrücke mit Linie 1 oder Haltestelle Johanneskirche mit Linie 2 oder 3.
FOTOS, VIDEOS UND AUDIOAUFNAHMEN
Wir bitten Dich, auf dem Fachtag keine Fotos oder Aufnahmen von Personen zu machen. Die Veranstalter*innen werden einzelne Fotos zur Dokumentation machen, jedoch keine, auf denen Menschen zu erkennen sind. Einzelne Inputs werden von Radio Dreyeckland mitgeschnitten und sind im Anschluss auf rdl.de nachhörbar. In den interaktiven Workshops wird natürlich nicht aufgenommen.
VERPFLEGUNG
Wir sorgen für Kaffee, Tee, Snacks, Obst und ein kleines vegan-vegetarisches Mittagsbuffet. All das gibt es gratis für die Teilnehmer*innen.
Wenn ihr wollt könnt ihr aber natürlich auch Euer eigenes Pausenbrot mitbringen, im zuka im Foyer des HDJ etwas bestellen oder in einer der umliegenden Gastronomien Essen gehen.
TEILNAHMEBESCHEINIGUNG
Benötigst Du eine Bestätigung Deiner Teilnahme? Schreibe eine Email an koordination@iz3w.org
WORKSHOPS UND VORTRÄGE
Einführungsvortrag von Sarah Schnitzler
Nach ‚unten‘ treten, nach oben streben…!? Wie Klassismus soziale Spaltung produziert
Klassismus ist Ideologie, institutionelle Praxis und alltägliche Erfahrung. Das zeigt sich in Ämtern, Schulen und Universitäten, auf der Straße, auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und vielen weiteren Orten, an denen Menschen Zugänge verwehrt werden.
Als Antidiskriminierungskonzept thematisiert Klassismus das gewalt- und schmerzvolle Erleben gesellschaftlicher Ausschlüsse, die Menschen aufgrund ihrer Klassenherkunft und/oder Klassenposition machen. In einer kurzen Einführung gehen wir der Frage nach wie diese Ausschlüsse, Armuts- und Klassenverhältnisse legitimiert werden und was Mythen von „Chancengleichheit“ und „Harter Arbeit als Erfolgsgaranten“ damit zu tun haben.
Workshops zum Thema Herkunft, Klassismus und Rassismus von Tú Qùynh Nhu Nguyễn:
Workshop A1 Rassismus als Ausgangspunkt von Klassismus: Einführung in einen materialistischen Rassismusbegriff
„Türkische Putzfrauen lassen sich eben besser verkraften als syrische Hautärztinnen“
(María do Mar Castro Varela 2015: 87-96)“
Rassismus und Klassismus ziehen sich als Macht- und Herrschaftsverhältnisse durch alle Bereiche gesellschaftlichen Zusammenlebens. Rassismus nimmt in der kapitalistischen Gesellschaft eine zentrale Funktion ein und weist gesellschaftliche Positionen – innerhalb der Produktionsverhältnisse – zu und legitimiert, rationalisiert Ungleichbehandlung sowie Diskriminierung und rechtfertigt damit ökonomische Ungleichheitsverhältnisse. Doch was bedeutet das genau? Und welche Rolle spielt dabei die – vermeintliche oder tatsächliche – Herkunft? Im Workshop möchte ich mich diesen und weiteren Fragen annähern. Es geht also um die historisch gewachsenen Verschränkungen von Rassismus und Klassismus.
Workshop A2 Meine (sozioökonomische) Herkunft– eine rassismus- und klassismuskritische Auseinandersetzung
Im Workshop möchte ich auf Verschränkungen rassistischer sowie klassistischer Strukturen und wie diese sich insbesondere im Kontext von Integrationsparadigmen manifestieren und materialisieren eingehen. Verschiedene Ungleichheitsverhältnisse und deren Verwobenheiten sollen aus einer intersektionalen Perspektive beleuchtet werden. Dabei soll mit Hilfe von interaktiven, biografischen Methoden eine kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Position innerhalb dieser gesellschaftlichen Verhältnisse angeregt werden.
Workshops zu Klassismus im Bildungssystem von Tariq Mian:
Workshop B1 Ungleichheit im Bildungssystem – Grundlagen
Im internationalen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab, was die Frage der gerechten Bildungschancen angeht. Die Gründe hierfür sind auf verschiedenen Ebenen zu suchen. Der Workshop möchte den Fokus darauf legen, welche subjektiven Mechanismen dafür sorgen, dass Kinder aus armen Familien im Bildungssystem benachteiligt werden. Wir werden uns einen Überblick über die verschiedenen Ursachen von Ungleichheit im Bildungssystem erarbeiten. Weiter betrachten wir, welche Rolle unsere Vorurteile bei der Reproduktion von dieser Ungleichheit spielen.
Workshop B2 Ungleichheit im Bildungssystem – Beispiele aus der Praxis und Gegenmaßnahmen
Es sind nicht nur materielle Hürden, sondern häufig auch Fragen des Verhaltens und der kulturellen Ressourcen, die einen Einfluss darauf haben, wer welchen Abschluss erreicht und welche Förderung bekommt. Welche Bewertungsmechanismen hier auf Seiten von Pädagog*innen und Behörden eine Rolle spielen, soll Schwerpunktthema des Workshops sein. Selbstreflektion soll die Möglichkeit geben, auch (unbewusste) Formen der Diskriminierung im Bildungsbereich aufzudecken und zu hinterfragen. Im Anschluss daran sollen gemeinsam Lösungen entwickelt werden, wie wir in unserer täglichen Praxis klassistische Vorurteile abbauen können.
Input von Roland Rosenow zum Thema Grundsicherung:
Workshop C1 Existenzsichernde Leistungen in Deutschland als Ausdruck einer widersprüchlichen Haltung der Gesellschaft zu Armut
Die politischen Begründungen dafür, dass Menschen in Armut staatliche Leistungen erhalten, haben sich seit Bestehen der Bundesrepublik grundlegend geändert. Lange Zeit wurden armen Menschen nur deshalb Leistungen zuerkannt, weil man die Armut als eine Gefahr für die Anderen – nicht die Armen – betrachtete. Nach Inkrafttreten des Grundgesetzes spielte die Menschenwürdegarantie eine immer größere Rolle. Das führte dazu, dass 1954 ein subjektiver Anspruch von Bedürftigen auf existenzsichernde Leistungen erstmals höchstrichterlich anerkannt wurde. Schon früh bestand Einigkeit darüber, dass die Menschenwürde es gebietet, jeder und jedem einen klagbaren Anspruch auf existenzsichernde Leistungen zuzubilligen, die hoch genug sind, um wenigstens ein wenig am sozialen Leben teilzuhaben. Doch diese Einigkeit blieb bis heute gleichsam abstrakt. Ihr gegenüber stehen ein tiefes Misstrauen und oft eine vorauseilende Feindseligkeit gegen Menschen, die existenzsichernde Leistungen brauchen. Dieser Widerspruch führt einerseits zu hehren verfassungsrechtlichen Grundsätzen, andererseits zu Gesetzen und einer Verwaltungspraxis, die diese konterkarieren. Die „Hartz IV”-Reform hat das Selbstbestimmungsrecht der Leistungsberechtigten in den Mittelpunkt gestellt und Grundsätze der vormaligen Fürsorge über Bord geworfen. Dennoch führte das insgesamt zu einer Verschlechterung der Lage von Menschen in Armut, was die Ambivalenz des zeitgenössischen Rekurses als das Selbstbestimmungsrecht anschaulich in Szene setzt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht einige der schlimmsten Auswüchse der „Hartz IV”-Gesetzgebung korrigiert. Aber solange eine Haltung, die die Ursache für Armut einzig und allein bei den Betroffenen sieht, dominiert, bleiben die Kräfte stark, die viel Kreativität entfalten, um die Vorgaben des höchsten deutschen Gerichtes auszuhebeln.
Workshop von Werner Altmann zum solidarischen Begleiten bei Amtsgängen:
Workshop C2
„Keine*r geht allein aufs Amt“ oder: Möglichkeiten der Unterstützung von Grundsicherungsberechtigten
Auf Grundsicherungsleistungen nach SGB II oder XII besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch. Doch einen Rechtsanspruch haben und ihn durchgesetzt bekommen sind zweierlei Dinge. Vor allem dann, wenn bei den Betroffenen neben der Verunsicherung durch ihre Lage auch noch weitgehende Unkenntnis über ihre Rechte und Pflichten besteht. In dieser Situation ist eine externe Unterstützung nicht nur sinnvoll, sondern zum Teil existenziell notwendig.
In diesem Workshop geht darum, welche Möglichkeiten der Unterstützung es gibt und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um Betroffenen zu helfen, ihren Rechtsanspruch durchzusetzen. Im Fokus des Workshops steht die Beistandschaft – also die Begleitung der Betroffenen zu den jeweiligen Ämtern gemäß § 13 Absatz 4 SGB X.
ZU DEN REFERENT*INNEN
Sarah Schnitzler | Werkstatt für ungleichheitssensible Bildung [WuB] ist Bildungsaufsteigerin, Erziehungswissenschaftlerin und Soziologin. Als Bildungsreferentin und politische Aktivistin beschäftigt sie sich mit Fragen rund um Klassengesellschaft, Soziale Gerechtigkeit und Vergesellschaftung von Sorgearbeit.
Tú Qùynh Nhu Nguyễn ist Sozialpädagogin, Bildungsreferentin und Trainerin mit den Themenschwerpunkten Postkoloniale Theorien, Rassismus- und Klassismuskritik sowie deren Verschränkungen, Intersektionalität, Empowerment, Powersharing, also insgesamt Diskriminierungs- und Machtkritische Bildung & (Sozial-)Pädagogik. Neben Empowerment- und Powersharing-Trainings, lehrt(e) sie an der Evangelischen und Pädagogischen Hochschule Freiburg.
Tariq Mian ist Soziologe (MA) und freier Trainer für gesellschaftspolitische Jugend- und Erwachsenenbildung. Schwerpunktmäßig arbeitet er zu Klassismus, Armut/Reichtum und Fragen die damit zusammenhängen (Arbeit, Weltungleichheit…), außerdem zu Rassismus, Rechtsradikalismus, Antisemitismus und BIPoC Empowerment.
Roland Rosenow beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit sozialrechtlichen und sozialpolitischen Fragen, arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter in auf Sozialrecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien und aktuell als akademischer Mitarbeiter an der Katholischen Hochschule Freiburg. Als Autor rechtswissenschaftlicher Aufsätze beschäftigt er sich mit dem Betreuungsrecht, dem Recht der wirtschaftlichen Grundsicherung und dem Recht der Leistungen für Menschen mit Behinderungen. 2021 erschien seine Kommentierung des neuen Rechts der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen.
Werner Altmann ist Rentner und seit 1997 in der Sozialberatung bei FRIGA e.V. und der IG Metall tätig.